Ziel des Forschungsprojekts ist es, den klassischen Figurenbegriff im Zeitalter der unsichtbaren digitalen Avatare zu überprüfen. Figuren setzen eine Art von Geschlossenheit voraus (sei es als Text, in Form einer Rolle oder als klar identifizierbare Verhaltensmuster, etc.) – ein theatrales Konzept, das der heutigen sehr offenen, spielerischen und interaktiven digitalen Welt erstmal nicht angemessen erscheint. Und doch sehen wir gerade durch das Unbehagen gegenüber manchen nicht (be-)greifbaren Entwicklungen im Bereich der sog. Künstlichen Intelligenz, dass dem Menschen ein Bedürfnis nach erkennbaren Formen innewohnt, die gedanklich zu fassen sind.
Diesem Bedürfnis wollen wir theatral zunächst mithilfe des invertierten Turing Tests auf sprachlich-kommunikativer Ebene begegnen und eine „bekannte“ Kommunikation mit der Maschine etablieren. Dabei stellt nicht der Mensch die Fragen, sondern der Computer; – ganz im Sinne von Jürgen Schmidhubers Definition von Künstlicher Intelligenz als einer neugierigen und kreativen Maschine. Als Prototyp soll ein experimenteller Chatbot entwickelt werden, der sein Gegenüber in diesen neugierigen Dialog involviert (mittels des quelloffenen GPT-2 Sprachmodells, der modernsten und stärksten heutigen Text/Sprach-KI-Methode). Wir möchten in unserer künstlerischen Untersuchung der sprachlich-interaktiven Aspekte aber auch weitere Formen möglicher Kommunikation mit dem Bot/der KI probieren, z.B. über Bilder oder auch Musik. Unter welchen Umständen werden welche Gefühle gegenüber der Maschine ausgelöst? Kann die Maschine als theatrale Akteurin, als „Figur“, wahrgenommen werden? Und wie sollte sie dazu ästhetisch erscheinen? Ist es notwendig, dass sie als humanoider Roboter in Erscheinung tritt? In unserer zukünftigen Theaterarbeit möchten wir aus den neuen digitalen Mitteln heraus neue theatrale Formen und Akteure entwickeln.
Gefördert vom Fonds Darstellende Künste.